Anfrage zu Flüchtlingen

Anfrage gem. § 8 GO des Rates der Universitätsstadt Siegen (nicht-öffentlicher Teil)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Mues,

aufgrund der aktuellen Prognose von voraussichtlich ca. 930 zugewiesenen Flüchtlingen, bitten wir um Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Wie und wo soll die hohe Anzahl von Flüchtlingen untergebracht werden?
  2. Wie sieht das Betreuungskonzept aus? Werden zusätzliche Personalstellen benötigt und/oder der Leistungsvertrag mit dem Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) erweitert?
  3. Welche finanziellen Auswirkungen hat die hohe Anzahl von Flüchtlingen auf den Haushalt 2015 und 2016?
  4. Kann die Schulpflicht der zugewiesenen Flüchtlingskinder und Asylbewerber sichergestellt werden? Gibt es zusätzliche Lehrerstellen für diese Aufgabe? Wie und wo sollen die Flüchtlingskinder unterrichtet werden?
  5. Damit Integration gelingen kann, ist das Erlernen der deutschen Sprache besonders wichtig. Verfügt das Lehrpersonal über entsprechende Sprachkenntnisse, Qualifikationen und Lehrmittel, um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten?
  6. Welche Konzepte und konkreten Programme gibt es, um Flüchtlinge und Asylsuchende möglichst schnell fit für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland zu machen?
  7. Welche Baustellen/Probleme gibt es darüber hinaus aus Sicht der Verwaltung?

Auszug aus der öffentlichen Niederschrift über die 12. Sitzung des Rates vom 09.09.2015:

"2. Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbewerber
Frage 1. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:

Wie und wo soll die hohe Anzahl von Flüchtlingen untergebracht werden?

Belegung der Übergangseinrichtungen

Für 401 Personen muss derzeit eine Unterbringung sichergestellt werden.
In den drei eigenen städtischen und zwei angemieteten Unterkünften werden grund- sätzlich folgende Plätze vorgehalten:

Soll Ist Übergangseinrichtung Im Wiesenthal =40 =70 Übergangseinrichtung Siegtalstraße =49 =66 Übergangseinrichtung Am Dreesch =25 =26 Übergangseinrichtung Fludersbach =18 =17 Notquartier Köhlerweg =25 =14 157 193

Angemieteter Wohnraum

208 Personen sind in angemietetem Wohnraum untergebracht. Hierbei handelt es sich um 42 Objekte.

Akquise und Schaffung zusätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten

Die Nutzung des Notquartiers Köhlerweg (VfB-Sportheim) endet im Oktober. Die Vorbereitungen für die Herrichtung des Notquartiers in der Turnhalle der Winchen- bachschule laufen derzeit, so dass von einer Fertigstellung Mitte Oktober auszuge- hen ist.

Durch die intensive Wohnraumakquise können in den kommenden Wochen ca. 50 neue Plätze zur Verfügung stehen. Hinzu kommt die geplante Nutzung des KWEA mit kurzfristig ca. 25 Plätzen.
Die Schaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten ist dringend geboten. Gemein- sam mit der ZGW prüft der FB 5 derzeit die Errichtung einer weiteren Unterkunft im Wiesental.

3. Betreuung und Beratung der Flüchtlinge und Asylbewerber

Frage 2. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:
Wie sieht das Betreuungskonzept aus? Werden zusätzliche Personalstellen benötigt und/oder der Leistungsvertrag mit dem Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwest- falen (VAKS) erweitert?

In der Stadtverwaltung Siegen sind vorrangig das Arbeitsteam für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das Arbeitsteam Wohnen (Übergangswohnhei- me), der Integrationsbeauftragte und die Ausländerbehörde, bei unbegleiteten min- derjährigen Flüchtlingen der ASD und die Amtsvormünder und für die Übergangsein- richtungen die ZGW zuständig. Bereits während des laufenden Jahres, vor allem aber auch im Rahmen der Stellenplangespräche, wurden die personellen Notwen- digkeiten erörtert und entsprechende Lösungen gefunden. Im Entwurf des Stellen- plans 2016 werden Mehrstellen in diesen Bereichen ausgewiesen und dem Rat der Stadt Siegen zur Beschlussfassung vorgeschlagen.

Der Leistungsvertrag mit dem VAKS e. V. wurde bisher bzgl. des personellen Um- fangs nicht erweitert. Vielmehr wurde mit dem Verein abgestimmt, dass der personel- le Mehrbedarf in der Betreuung und Beratung der Flüchtlinge und Asylbewerber durch städtisches Personal übernommen wird. Diese Stellen werden ebenfalls im Stellenplan 2016 ausgewiesen.

Für den ehrenamtlichen Bereich wurde bereits ein Betreuungskonzept erstellt und sogenannte Sektoren gebildet, in denen Ehrenamtliche tätig werden, wie z. B. für die Begrüßung, Sprache, WLAN-Ausstattung, Spiel- und Sportangebote.

Frage 3. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:
Welche finanziellen Auswirkungen hat die hohe Anzahl von Flüchtlingen auf den Haushalt 2015 und 2016?

Die Stadt Siegen erhält Zuweisungen des Landes nach dem Flüchtlingsaufnahmege- setz (FlüAG). Für das Jahr 2015 wurde im Februar der Bescheid zugestellt. Weitere politisch beratene und beschlossene Entlastungen sind bisher nicht beschieden oder mitgeteilt worden.

Die Zuweisungen sehen einen Betrag von ca. 1 Mio. € (1.001.369,- €) nach dem FlüAG, eine pauschale Sonderzahlung aufgrund der Auswirkungen des Bundesver- fassungsgerichtsurteils im Jahr 2012 zu den Grundleistungen in Höhe von 175.223 € sowie vom Bund beschlossene Entlastungsmittel von 291.412 €. Dies ergibt eine Gesamtzuweisung von ca. 1,45 Mio. €, die bereits im Haushalt veranschlagt sind.

Für das Jahr 2015 wurden im Produkt 005 001 002 Hilfen nach dem Asylbewerber- leistungsgesetz Aufwendungen in Höhe von 3.6 Mio. € und ein Ergebnis von - 2,1 Mio. € kalkuliert.
Entgegen den Kalkulationen/Haushaltsplanungen sind bereits Aufwendungen von 3,7 Mio. € in 2015 angefallen, so dass hier mindestens 5,6 Mio. € Aufwendungen auf das Gesamtjahr erwartet werden, sowie ein Produktergebnis von – 3,9 Mio. €. Bei weiter steigenden Zuweisungszahlen werden sich die Aufwendungen noch weiter erhöhen.

Im Jahr 2014 wurden im Produkt 005 001 002 Hilfen nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz Aufwendungen in Höhe von 3,35 Mio. € verausgabt und ein Ergebnis von – 2,65 Mio. € erreicht.

Weitere Steigerungen der Aufwendungen werden den städtischen Haushalt belasten und das Defizit erhöhen, wenn nicht zugleich die steigenden Aufwendungen durch höhere Landeszuweisungen ausgeglichen werden. Hinzu kommt, dass sowohl die Aufwendungen derzeit schwer zu kalkulieren sind, wie auch die zwar angekündigten aber noch nicht vorliegenden Entlastungen des Bundes und des Landes.

6. Kinder aus Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien in Siegener Schulen

Frage 4. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:
Kann die Schulpflicht der zugewiesenen Flüchtlingskinder und Asylbewerber sicher- gestellt werden? Gibt es zusätzliche Lehrerstellen für diese Aufgabe? Wie und wo sollen die Flüchtlingskinder unterrichtet werden?

In der Sitzung des Ausschuss für Schul- und Bildungswesen hat die Verwal- tung am 21.05.2015 mit der Vorlage 428/2015 einen Sachstandsbericht zu Kindern aus Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien an Siegener Schulen ge- geben.

Es ist festzustellen, dass mit Zuweisung in die Stadt Siegen für diese Kinder die Schulpflicht gemäß Schulgesetz NRW besteht. („Die Schulpflicht besteht für Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und alleinstehende Kinder und Jugendli- che, die einen Asylantrag gestellt haben, sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind und solange ihr Aufenthalt gestattet ist. Für ausreisepflichtige ausländische Kin- der und Jugendliche besteht die Schulpflicht bis zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht. Im Übrigen unterliegen Kinder von Ausländerinnen und Ausländern der Schulpflicht, wenn sie in Nordrhein-Westfalen ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben.“ § 34 Abs. 1 und 6 SchulG NRW)Der gesetzlichen Schulpflicht kommt die Stadt Siegen als Schulträger in enger Ab- stimmung mit der Schulaufsicht und den Schulen nach. Hier muss beachtet werden, dass zu den schulpflichtigen Kindern aus Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien auch noch Kinder aus anderen Gründen zugereister Migranten ohne Deutschkenntnisse hinzukommen.

Folgendes Verfahren greift derzeit:

Für die Zuweisung zur Schule sind die Kriterien Alter und Begabungen des Kindes, angestrebte berufliche Perspektiven sowie die Aufnahmekapazität der jeweiligen Schule von Bedeutung.

a) Im Primarbereich gilt weiterhin das Prinzip der wohnortnahen Beschulung. Es erfolgt allerdings auch keine „Bündelung“ von nicht deutsch sprechenden Kindern an wenigen Grundschulen. Auf ein gesundes Mischungsverhältnis in den Klassen ist zu achten. Dennoch ist auch im Primarbereich die Frage der Aufnahmekapazitäten bzw. festgelegten Zügigkeiten wesentlich. Dies gilt insbesondere für Schulen in der Nähe von Übergangswohnheimen bzw. Wohngegenden, in denen verstärkt eine Unterbrin- gung von Flüchtlingen erfolgt.

Für den Primarbereich gilt, dass die möglichst wohnortnahe Beschulung unter Be- rücksichtigung der bestehenden Aufnahmekapazitäten, pädagogischer Erwägungen, der Aspekte des Gemeinsamen Lernens und auch der Schülerbeförderung erfolgt.

Die Schulverwaltung ermittelt ständig die bestehenden Aufnahmekapazitäten an Schulen unter Berücksichtigung der Klassenbildungswerte und der festgesetzten Zü- gigkeiten bzw. der Raumsituation. Dabei wird die Liste der freien Plätze kontinuierlich fortgeschrieben.

b) Für die Sekundarstufe I gilt, dass das Kommunale Integrationszentrum (KI) zent-
ral für alle Kinder ohne Deutschkenntnisse als Vermittlungszentrale tätig wird: Die Daten nicht deutsch sprechender schulpflichtiger Kinder werden dem KI gemeldet, dort er- fasst und ein Beratungsgespräch durchgeführt. Das Ergebnis wird der Schulaufsicht gemeldet, die mit der Schule Kontakt aufnimmt und über die Aufnahme informiert.

Da die Aufnahmekapazität der bestehenden Sek I-Schulen begrenzt ist, da z. B. an den beiden Hauptschulen Räume fehlen sowie ein pädagogisch schlechtes Mi- schungsverhältnis von Schülerinnen und Schülern aus dem Gemeinsamen Lernen, Regelschülerinnen und -schülern sowie nicht deutsch sprechenden Kindern entsteht und dies auch bei den Realschulen der Fall ist, muss neben der Integration in beste- hende Klassen auch die Bildung von Auffangklassen eine Option sein.

Bei den Gymnasien werden nicht deutsch sprechende Kinder derzeit vorrangig am Gymnasium Auf der Morgenröthe beschult. Die dortige Gruppe ist mit zwanzig Kin- dern bereits jetzt ausgelastet.

Möglicher Standort für eine Auffangklasse soll zunächst die Gesamtschule Eiserfeld sein. Die Kinder könnten dort trotz Auffangklasse im Schulleben integriert werden. Details dieser Lösung sowie die notwendige Lehrerversorgung werden derzeit erar- beitet. Dem Ausschuss für Schul- und Bildungswesen wird hierzu weiter berichtet bzw. er wird soweit notwendig in die Entscheidungsbildung mit einbezogen.

Damit Integration gelingen kann, ist das Erlernen der deutschen Sprache besonders wichtig. Verfügt das Lehrpersonal über entsprechende Sprachkenntnisse, Qualifikati- onen und Lehrmittel, um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten?

Frage 5. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:
Kann die Schulpflicht der zugewiesenen Flüchtlingskinder und Asylbewerber sicher- gestellt werden? Gibt es zusätzliche Lehrerstellen für diese Aufgabe? Wie und wo sollen die Flüchtlingskinder unterrichtet werden?

Beispielhaft ist das Netzwerk Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zu nennen.
Die Gründung der Netzwerke DaZ Grundschule und DaZ Sek. I erfolgte in Koopera- tion vom Kompetenzteam Siegen-Wittgenstein (KT), also der staatlichen Lehrerfort- bildung, dem Schulamt für den Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Kommunalen In- tegrationszentrum Kreis Siegen-Wittgenstein (KI).

Ziel ist es, eine kreisweite Vernetzung der Lehrerinnen und Lehrer aller Grundschu- len und weiterführenden Schulformen zu schaffen, die sich speziell der Aufgabe stel- len, Schülerinnen und Schülern ohne Deutschkenntnisse - möglichst schnell - an die Teilnahme am Regelunterricht heranzuführen, aus erster Hand zu erfahren, wo evtl.


Problemstellungen liegen und dafür Hilfestellungen zu entwickeln sowie den Informa- tionsaustausch der DaZ-Lehrkräfte untereinander zu verbessern.

Mittlerweile wurden in den Netzwerken bereits einige Veranstaltungen durchgeführt. Das Kompetenzteam hat zusammen mit der Bezirksregierung Arnsberg verschiede- ne Module für die DaZ-Lehrkräfte angeboten, z.B. „Grundlagen DaZ“ und „Alphabeti- sierung“. Außerdem gibt es einen regen Austausch hinsichtlich des Materials, das zur Unterrichtung der Schülerinnen und Schüler ohne deutsche Sprachkenntnisse verwendet werden kann. Für den besseren Austausch untereinander wurde eine On- line-Plattform freigeschaltet, auf der die Gruppe miteinander kommunizieren und Da- ten austauschen kann.

Weiterhin hilfreiche Unterstützung bietet auch der städtische Arbeitsschwerpunkt Sprache und Interkulturelle Bildung (vormals RAA).

Frage 6. der Anfrage der Fraktionen SPD, UWG, Die Linke und WAS:
Welche Konzepte und konkreten Programme gibt es, um Flüchtlinge und Asylsu- chende möglichst schnell fit für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland zu machen?


Die Integration in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt fällt nicht in die Zuständigkeit der Stadt Siegen. Trotzdem werden auch hier viele Bemühungen unternommen und Anstrengungen unternommen. So wurde mit dem bbz der IHK der dortige Metallqua- lifizierungskurs entwickelt und die Teilnehmer-Auswahl begleitet, die beim Jugend- amt eingerichtete Koordinierungsstelle zur Jugendsozialarbeit ist eingebunden und die Stelle zur Akquirierung von EU-Fördermitteln unterstützt Träger bei der Antrag- stellung auf entsprechende Förderprogramme.

Mit dem Kreis Siegen-Wittgenstein wird aktuell ein Antrag für ein sog. AMIF-Projekt mit Fördermöglichkeiten für soziale und vorberufliche Integration von Flüchtlingener- arbeitet.
Im Bereich Informationszugang und digitale Medien bestehen Überlegungen in Zusammenhang mit dem Programm „Demokratie Leben“, wo 10.000 Euro zusätzlich für zielgerichtete und passgenaue Orientierungshilfen für neu ankommende Flüchtlinge, Vernetzung und Ausbau der Hilfsangebote, Überprüfung von Kommunikationswegen und die Einrichtung eines mehrsprachigen digitalen Willkommensatlas generiert werden können."

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