Antrag Resolution Betreuungsgeld
Resolution "Kindertagesbetreuung bedarfsgerecht ausbauen - auf das Betreuungsgeld verzichten" zur Sitzung des Rates am 27.06.2012
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
die UWG-Fraktion im Rat der Stadt Siegen bittet darum, die folgende Resolution auf die Tagesordnung der Ratssitzung zu setzen und darüber abstimmen zu lassen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf die Einführung eines Betreuungsgeldes zu verzichten und die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von ca. 2,2 Milliarden € jährlich in Qualität, Ausbau und Flexibilisierung der Kindertagesbetreuung zu investieren.
Begründung:
Die im Kinderförderungsgesetz (KiföG) vorgesehene Einführung eines Betreuungsgeldes ab 2013 - quasi als finanziellen Ausgleich für diejenigen Eltern, die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen für ihre Kinder nicht in Anspruch nehmen, ist bildungspolitisch abzulehnen. Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiföG) wurde der § 16 SGB VIII Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie um den Abs. 4 ergänzt: ... (4) Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wolen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden. Die Inanspruchnahme von Betreuungsgeld geschieht nicht unabhängig vom sozial ökonomischen Status der Eltern, Insbesondere die Erfahrungen in Norwegen, das seit 1998 ein Betreuungsgeld von ca. 400 € monatlich an Eltern zahlt, die keine staatlich unterstützten Betreuung nutzen, stimmen bedenklich. Das betreuungsgeld wurde dort umso stärker genutzt, je niedriger der Bildungsgrad der Eltern, insbesondere der Mütter, war und es wurde insbesondere von Eltern mit Migrationshintergrund bezogen. Wie erste Auswertungen des Statistischen Landesamtes Thüringen gezeigt haben, könnte sich auch in Thüringen eine ähnliche Entwicklung abzeichnen, das seit dem 1. Juli 2006 in der Form eines Landeserziehungsgeldes ein Betreuungsgeld zahlt. In einem im November 2007 vorgestellten Ländervergleich "Babies and Bosses" der OECD über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird ausdrücklich vor der Zahlung von Betreuungsgeldern gewarnt (*).
Auch aus Sicht der Bertelsmann Stiftung ist die Einführung eines Betreuungsgeldes nicht zu empfehlen. Ziel des KiföG solte es sein, allen Kindern den Zugang und die Teilhabe an frühkindlicher Bildung und Betreuung zu ermöglichen, damit alle Kinder ihre Fähigkeiten und Kompetenzen bestmöglich entfalten zu können. Die Einführung eines Betreuungsgeldes kann aber gerade dazu führen, dass Kinder keinen Zugang zu früher Bildung erhalten, da sich ihre Eltern für die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes entscheiden. Dabei erscheint plausibel, dass diese Entscheidung maßgeblich vom sozio-ökonoischen Hintergrund der Eltern abhängen wird. Die OECD warnt in ihrem Ländervergleich "Babies and Bosses" ausdrücklich vor der Einführung eines Betreuungsgeldes. Der Deutsche Bundesjugendring lehnt die - auch perspektivische - Einführung eines Betreuungsgeldes ab. Durch ein Lebensunterhalt und -standard sicherndes Grundeinkommen für Kinder und ihre Eltern und die grundsätzliche Kostenfreiheit von Bildungs- und Betreuungsangeboten lassen sich das Erziehungsrecht der Eltern und der Kindeswillen auf der einen und die Rechte von Kindern auf Förderung ihrer Persönlichkeit auf der anderen Seite umfassend verwirklichen. Entsprechende Konzepte wären eine bessere Möglichkeit. Der Deutsche Caritasverband lehnt die Einführung eines Betreuungsgeldes in der Konstruktion als Ersatzleistung für die Nicht-Inanspruchnahme von öffentlicher Kindertagesbetreuung oder Kindertagespflege wegen der Besorgnis der lenkenden Wirkung ab. Es ist sicherzustellen, dass die Möglichkeit der uneingeschränkten Teilnahme an Angeboten der Kinderbetreuung für alle Kinder besteht.
Auf massive Kritik und Ablehnung stößt das Betreuungsgeld auch bei den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, den Wirtschaftsforschungsinstituten wie HWWI, RWI und DIW und beim Handwerk. Sie fordern von der Bundesregierung einen Verzicht auf das Betreuungsgeld. Die Kosten der Einführung des Betreuungsgeldes würden sich - bezogen auf die aktuelle inderzahl und das Erwerbsverhalten der Eltern - immerhina uf 2,2 Milliarden Euro jährlich belaufen. Der Zeitpunkt für diese Resolution ist noch günstig, da erst nach der Sommerpause im Bundestag über den Gesetzentwurf abgestimmt wird.
(*) Bildung, Erziehung und Betreuung für Kinder unter drei Jahren - elterliche und öffentliche Sorge in gemeinsamer Verantwortung S. 36, Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 11018 Berlin, April 2008
Auszug aus der öffentlichen Niederschrift über die 32. Sitzung des Rates vom 05.09.2012:
Beschluss:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf die Einführung eines Betreuungsgeldes zu verzichten und die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von ca. 2,2 Milliarden Euro jährlich in Qualität, Ausbau und Flexibilisierung der Kindertagesbetreuung zu investieren.
Beratungsergebnis: Mehrheitlich dafür, mehrere Enthaltungen"