Haushaltsrede 2017 des Fraktionsvorsitzenden der UWG Günter Bertelmann
Haushaltsrede 2017 der UWG des Fraktionsvorsitzenden Günter Bertelmann in der Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 22.02.2017:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, sehr geehrte Damen und Herren,
die diesjährige, im Rahmen der vorgesehenen Beteiligung der Ausschüsse des Rates, durchgeführte Vorbehandlung des Entwurfs der Haushaltssatzung, ist eher unspektakulär verlaufen. Wesentliche Einwendungen, Anregungen oder Forderungen innerhalb der jeweils zugeordneten Produktebereiche sind überwiegend unterblieben.
Es wird, und das ist auch denjenigen, die sich mit der Einführung des NKF eine größere Transparenz des Haushalts erhofft haben, mittlerweile klar, dass mit dem vorliegenden Entwurf keine wirkliche Grundlage für eine politische Beurteilung zu erhalten ist, da wesentliche Elemente der Steuerung, wie eine konkrete, jahresbezogene Kostenleistungsrechnung und ein darauf aufbauendes Berichtswesen mit einer permanenten Zielsetzungs- und Erreichungskontrolle noch nicht wirklich implementiert wurden. Das ist kein Vorwurf, das ist lediglich eine Feststellung und das Aufzeigen einer großen Aufgabe für Verwaltung und Politik in der Zukunft. Wir sind übrigens in Siegen in guter Gesellschaft mit vielen anderen Städten in NRW.
Deshalb deutlich nicht als Vorwurf an die Verwaltung, die diesen Haushaltsentwurf über alle Fachbereiche mit großem Fleiß und Aufwand vorgelegt haben. Ich sage das mehr an die Adresse der Politik, also an uns alle. Wir müssen uns lösen von der Praxis, nach der wir immer noch geneigt sind, einzelne Maßnahmen haushaltsstellen- und eurogenau zu betrachten, anstatt anhand von politisch definierten Zielen, den jeweiligen Zielerreichungsrad mit dem für das konkrete Ziel zur Verfügung gestellten Finanzrahmen abzugleichen.
Im Rahmen der gesamtstädtischen Maßnahmen und Ziele, die im Übrigen zumeist von einer großen Mehrheit getragen werden, sind für uns als Unabhängige Wählergemeinschaft folgende Maßnahmen von besonderer Bedeutung:
- Weiterentwicklung des Prozesses „Universität in die Stadt“:
Wir sind der Auffassung, dass dieser Prozess das Leuchtturmprojekt für Siegen darstellt. Wir müssen zusammen mit unserer Universität die Chance nutzen, mehr Uni in die Innenstadt zu bringen und damit das studentische Leben vom Berg Tabor, genannt Haardter Berg, in die Innenstadt zu verlagern und auch dort wahrnehmbarer zu machen. - Stetige Sanierung unserer Schulen:
Hierfür wurden in den letzten Jahren bereits große Anstrengungen unternommen. Wir schieben aber immer noch einen immensen Unterhaltungsstau vor uns her. Das Landesprogramm „Gute Schule 2020“ hat genau dieses Ziel, unsere Schullandschaft und deren baulicher und unterhaltungsmäßiger Zustand bis zum Jahr 2020 nachhaltig zu verbessern. Dabei muss gewährleistet sein, dass die 2,2 Mio. € aus dem Programm dauerhaft „on Top“ und nicht anstatt eingesetzt werden. - Stichwort Gewerbesteuer:
Die Entwicklung der Gewerbesteuer ist dramatisch und für Siegen branchenspezifisch. Deshalb müssen wir alle Anstrengungen aufbringen um die gewerbliche Infrastruktur zu verbessern. All die Zweifler, die gebetsmühlenartig erklärt haben, dass wir keine weiteren Gewerbegebiete benötigen, werden durch die für uns erwartet schnelle Belegung der Standorte im Leimbach/Martinshardt Lügen gestraft. Die Entwicklung der dortigen Gewerbeflächen zeigt es uns deutlich auf: Wir brauchen dringend weitere Gewerbeflächen in Siegen und damit muss auch der Entwicklung des Gewerbegebiets Oberschelden/ Seelbach oberste Priorität eingeräumt werden. Parallel müssen wir aber auch noch weitere Gebiete auf ihre Durchführbarkeit untersuchen. - Zustand unserer Straße:
Auch im Bereich der Straßenunterhaltung geht der Verfall schneller als wir mit unserer Struktur aktuell finanziell und/oder personell ausgleichen und bewältigen können. Hier sind größere Anstrengungen von Nöten! Auch sollten wir die alte Praxis der Erstellung einer jährlich zu aktualisierenden Prioritätenliste für den Straßenbau wiederaufleben lassen und die einmal festgelegte Rangfolge innerhalb eines Jahres nur dann verändern, wenn konkret nachvollziehbare Gründe für die Veränderung vorliegen. So schaffen wir Transparenz und Sicherheit für die Bürgerschaft. - Sauberkeit und Ordnung:
Mittlerweile ist es schon zur Tradition geworden, das Thema Sauberkeit in der Stadt wieder anzusprechen. Noch immer ist es um die Sauberkeit auf Straßen, Plätzen und in Parks nicht zum Besten bestellt. Noch immer gibt es Verbesserungsbedarf. Sauberkeit und Ordnung werden wahrgenommen und stellen eine der Visitenkarten, die wir unseren Besuchern und unseren Bürgern entgegen bringen können, dar.
Wir sind der Auffassung, dass die auf Initiative der UWG-Fraktion erfolgte Einrichtung des City-Service-Teams in der aktuellen Form nur ein erster Schritt sein kann. Wir müssen auf diesem Gebiet mehr tun, d.h. auch, dass wir die Mitarbeiter/innen des Cityservice-Teams für die heutigen Anforderungen und Erfordernisse besser qualifizieren und damit einhergehend -auch besser bezahlen- müssen.
Wir werden hierzu im Laufe des ersten Halbjahres ein Konzept vorstellen. - Arbeitskreis Finanzen:
Der Arbeitskreis Finanzen hat im letzten Jahr 4-mal getagt. Gebracht hat das wenig.
Das Ergebnis war aber vorauszusehen, da der Arbeitskreis über keine eigenen Kompetenzen verfügt und die Politik, je nach Ausrichtung im eigenen politischen Spektrum nicht wirklich sparwillig oder auch -fähig war.
Wir können daher feststellen, dass die Bedenken der UWG-Fraktion hinsichtlich der Effektivität dieses Arbeitskreises berechtigt waren. Insofern möchten wir die Anregung unseres Kämmerers gerne noch einmal aufnehmen und regen an, das Thema zukünftig in einem direkt unterhalb des Rates angesiedelten Beschlussgremium zu behandeln. - Entwicklung unserer Randbezirke und Ortsteile:
Wir dürfen bei all den im Innenstadtbereich erforderlichen Investitionen unsere Ortsteile nicht von der Entwicklung abhängen. Es ist zugegebenermaßen in Eiserfeld und Niederschelden einiges getan und angeschoben worden. Wir müssen uns aber deutlich auch Gedanken über die anderen Ortsteile machen. In Geisweid, wo im zentralen Einkaufszentrum ein Geschäft nach dem anderem schließt, muss ohne Verzögerung nunmehr geliefert werden, wollen wir den Ortsteil nicht vor die Wand fahren.
All dies zeigt, gleichwohl die Ampeln für die finanzielle Gesundung unserer Stadt eher auf Rot stehen, dass wir mit den angestoßenen Projekten, zuletzt mit dem Projekten „Rund um den Siegberg“, der Sanierung unserer Hallenbäder usw. unsere Schubkarre schon sehr voll geladen haben.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren nach 2022 wird alles gut, da haben wir einen ausgeglichenen Haushalt, da können wir uns sogar eine Landesgartenschau leisten. Stimmt das wirklich?
Ich bin davon überzeugt, dass daran wohl kaum einer in diesem Plenum glaubt.
Bei der ersten Vorstellung des möglichen Projekts „Landesgartenschau in Siegen“ hat der Moderator hinsichtlich der Finanzierbarkeit darauf hingewiesen, dass man im Zeitalter schmaler finanzieller Ressourcen Prioritäten setzen müsse. Das bedeutet im Klartext, dass wir, soweit wir uns für die Durchführung entscheiden, andere Dinge unterlassen oder zumindest für Jahre zurückstellen müssen. Jetzt werden Sie sagen, dass dies für 2017 noch keine Rolle spielt. Sie wissen dabei genau, dass dies so nicht stimmt. Wir werden in diesem Haushaltsjahr bereits die Weichen stellen.
Und die Prioritäten der UWG Siegen stehen deutlich dafür, dass wir unsere Kraft für die zuvor bereits auf die Schubkarre geladenen Projekte verwenden wollen und müssen. Die Landesgartenschau ist ein wundervolles Projekt- ohne Wenn und Aber!
Leider können wir sie uns nicht leisten!
Denn:
Seit 1993 (bis auf 2 Jahre) schreiben wir rote Zahlen. Jedes Jahr stellen wir ein Haushaltssicherungskonzept auf, jedes Jahr laufen wir Gefahr, dem Nothaushalt näher zu kommen. Aber wir haben ja die Lösung, denn Jahr für Jahr stellen wir dar, wie positiv sich der Haushalt in den nächsten Jahren entwickeln wird und wir nach jeweils 5 Jahren wieder einen ausgeglichenen Haushalt haben werden. So auch dieses Jahr. Und machen dann wir munter weiter wie bisher.
Ich möchte Ihnen noch einmal die Entwicklung unserer Finanzen in diesem Jahrtausend von 2001 bis 2017 vor Augen halten.
Im Jahr 2001 betrug der Höchstbetrag der Liquiditätskredite 80 Mio DM. Der Haushalt 2017 weist einen Höchstbetrag von bis zu 295 Mio € fast das 7 ½ fache aus. Allein die Liquiditätskredite schreiben jedem Siegener Bürger –ohne die Investitionskredite- bis zu ca. 2900€ zu, in 2001 waren es gerade mal ca. 390 €. Nur war die Situation in 2001 noch eine andere. Da betrug der Leitzins 4,5 %, heute beträgt er 0,05 Prozent. Heute bekommen wir Kredite je nach Laufzeit für unter 1 – maximal 2 Prozent, damals zahlte die Stadt Siegen Kreditzinsen jenseits 6-7 %.
Nur, damals kostete 1 % Zinserhöhung 400000€, heute sind es annähernd 3 Millionen- jedes Jahr!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich unsere Wunschziellinie 2022 anschauen, und die dazugehörende mögliche Entwicklung der Kreditzinsen, dann geht dieser Haushalt von allem aus, nur nicht von einer Zinserhöhung. Die Amerikaner haben ihren Leitzins bereits erhöht, die wirtschaftliche und politische Gesamtlage wird sich eher zum Negativen entwickeln; Zinssteigerungen sind eher wahrscheinlich.
Betrachten wir nun die einmal den Eigenkapitalverzehr: seit dem Start in das NKF im Jahre 2009 hat sich das Eigenkapital von 100% innerhalb von nur 9 Haushaltsjahren auf prognostizierte 37% Ende 2017 reduziert. Nahezu 2/3 Eigenkapitalverzehr in nur 9 Jahren.
Und nun meine Damen und Herren, setzt das Wunder von Siegen an!
Nachdem wir in nur 9 Jahren einen Eigenkapitalverzehr in Höhe von 263 Mio Euro verzeichnen, sieht unsere Prognose – weil wir ja den Haushalt ausgleichen müssen für die nächsten 5 Jahre, also bis 2022, lediglich einen Eigenkapitalverzehr von insgesamt 5,1% sprich 23, Mio Euro vor.
Und das gänzlich ohne großes Gegensteuern!
Meine Damen und Herren, wer das in Anbetracht der aktuellen politischen Situation und des politischen Handelns wirklich glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann, für den ist der Osterhase keine Kindergeschichte sondern gelebte Realität!
Das Schlimme an der ganzen Sache ist, unsere Landesregierung wirkt an dieser Darstellungsform auf unterschiedlichste Weise mit! So weiß jeder, dass aufgrund der aktuellen Beschäftigungssituation, Lohnerhöhungen von lediglich einem Prozent mit der Realität wenig zu tun haben. Genau dies sieht sind aber die von der Landesregierung vorgegebene und in die mittelfristige Finanzplanung aufzunehmende Personalkostensteigerungsrate vor.
Im öffentlichen Dienst gab es gerade einen ersten Abschluss für das Jahr 2017 von 2%, ab 2018 wird eine weitere lineare Erhöhung von 2,35% zu zahlen sein. Ausgehend davon, dass die Zahlen auch im kommunalen Bereich in NRW übernommen werden, weichen die bereits jetzt bekannten Mehraufwendungen in dieser einen Position in den Jahren 2017 und 2018 hochgerechnet auf den 31.12.2022 um ca. 6,7 Mio. € vom Planentwurf ab.
Auf der Basis der immer wieder zugrunde gelegten Durchschnittskosten von 40000€/Mitarbeiter/in müssten für die tatsächlichen Lohnkosten über die bereits vorgesehenen Einsparungen allein in 2017 mindestens 15 weitere Stellen dauerhaft eingespart werden.
Die Liste derartiger – ich nenne sie mal Rundungsfehler oder Kalkulationsfehler- könnte man beliebig verlängern.
Fazit ist, meine sehr geehrte Damen und Herren, dieser Haushaltsplan geht, was die mittelfristige Betrachtung angeht, weit an der Realität vorbei. Wenn wir so weitermachen, werden wir statt Gesundung bereits 2018 die 300 Mio. Kassenkreditgrenze in Realo „knacken“.
Wir sind daher der Auffassung, dass dieser Haushaltsplan durchaus Märchencharakter hat. Ich habe bei der Wahl dieser Begrifflichkeit meinen alten Brockhaus von 1955 bemüht, hiernach sind „Märchen eine phantasievoll ausgeschmückte Erzählung, bei der die Naturgesetze aufgehoben sind und das Wunder vorwaltet; die Helden haben wunderbare Erlebnisse und kommen mit zaubermächtigen Helfern oder wundersamen Hilfsmitteln an das gewünschte Ziel“.
Ende des Zitats.
Die Helden sehen wir bei diesem Vergleich dabei nicht beim Bürgermeister und seiner Verwaltung, sondern in denjenigen die diesem Entwurf heute die Wahrhaftigkeit bescheinigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
einem nach unserer Vorstellung derart an der Realität vorbeigehenden Plan können und wollen wir unsere Zustimmung nicht geben.
Wir werden daher gegen den Beschlussvorschlag stimmen.
Glückauf!
Günter Bertelmann